Verbindende Erfahrungen

Als die Covid-19-Pandemie Anfang des Jahres 2020 in unseren Breitengraden ihren Anfang nahm, entschlossen wir uns, auf unserer Homepage ein Gesprächsforum einzurichten. Dieses Forum erfuhr in einem Zeitraum von circa einem Jahr Einträge von 64 Personen unterschiedlichen Alters und beruflichen Hintergrunds. Die Beiträge sind nicht mehr abrufbar, eine Zusammenfassung des Projekts möchten wir Ihnen dennoch präsentieren.

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Einblicke in das COVID-19-Forum des ifz

Verbindende Erfahrungen – Das Covid-19-Gesprächsforum des ifz

Inhaltlicher Rahmen

Die Resilienzforschung frägt, was es Menschen ermöglicht, Belastungen, Widrigkeiten und Krisen weitestgehend unbeschadet zu überstehen – oder gar an ihnen zu wachsen.
In den ersten Monaten der Pandemie im Jahr 2020 waren wir alle persönlich mit der Frage nach unserer eigenen Widerstandskraft konfrontiert. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben uns vor die Frage nach der eigenen Resilienz gestellt. Wie kommen wir gut durch die Zeit der massiven Einschränkungen? Was bedeutet diese Situation für uns als Eltern schulpflichtiger Kinder? Werde ich mich zuhause vereinsamt und traurig eingesperrt fühlen und wie kann ich mit diesen Gefühlen umgehen? Ist mein Arbeitsplatz sicher? Was ist mir wirklich wichtig?

Um diesen und ähnlichen Themen Raum zu geben, haben wir auf unserer Internet-Seite ein COVID-19-Forum eingerichtet. Bis in den Sommer 2021 reflektieren darin 64 Personen unterschiedlichen Alters und beruflichen Hintergrunds über ihre Situation. Wir stellten vier Fragen über  Veränderungen, über Ängste und Sorgen, aber auch nach möglichen positiven Seiten des Ausnahmezustands und nach den Quellen eigener Widerstandskraft.

Unser Anliegen

Das Anliegen der „Verbindenden Erfahrungen“ – so der Titel unseres Forums – war dabei ein dreifaches:
Das Forum diente erstens der gemeinsamen Auseinandersetzung über die individuellen Erfahrungen mit der schlagartig geänderten Wirklichkeit: Es verband die TeilnehmerInnen und Mit-Leser kommunikativ miteinander, schaffte eine Verbundenheit im Erleben und Deuten der gegebenen Herausforderungen und erlaubte so ein Stück weit ein gemeinsames „Begreifen“ der Situation. Austausch, gemeinsames Bedenken von Erfahrung ließ uns, so das zweite Anliegen, ein Stück Kontrolle über unsere neue Situation (zurück-)gewinnen. Und das Forum schaffte, drittens, auch Orientierung in einer beunruhigend unübersichtlichen Lage.

Eben diese drei Dimensionen – sozialer Sinn, Kontrollsinn und Richtungssinn – hat die Resilienzforschung herausgearbeitet, als konstitutiv für eine robuste Identität, die auch angesichts von Widrigkeiten stabil bleibt:

  • Sozialer Sinn, der sich in der Verbundenheit mit anderen stärkt und bewährt
  • Kontrollsinn, der sich in gefühlter Handlungsmacht vergegenwärtigt
  • Richtungssinn, der sich aus gelebten Wertvorstellungen speist.

Die Einträge im Forum bestätigen, illustrieren und erweitern diese Einsichten in vielfältiger Hinsicht. Viele Aussagen beziehen sich auf die Fürsorge für andere und Dankbarkeit für die eigene abgesicherte und wohlgestaltete Lebenssituation: „Ich habe große Bewunderung, Dankbarkeit und Respekt für den großen Einsatz unserer Ärzte, Pflegerinnen und sozialen Einrichtungen. (…) Ich möchte mich auch bei meinen Nachbarsfamilien, die mich jetzt umsorgen, entsprechend bedanken.“ (Pensionistin, 76 Jahre, Wien).

Viele unterstreichen die Bedeutung von Kommunikation und zwischenmenschlichem Austausch: „Direkte soziale Kontakte fehlen uns.“ (Trainerin, 38 Jahre, Flachgau).

Bereichernd sind häufig auch neue Erfahrungen der Gemeinschaftsstiftung: „Die Gespräche mit Nachbarn und generell anderen Menschen sind intensiver – weg von oberflächlichem hin zu aufrichtigem Interesse und Anteilnahme am Anderen.“ (Case Managerin, 52 Jahre, Salzburg).

Im Hintergrund vieler Einträge deutete sich ein verlässliches Wertegefüge als generelles Merkmal resilienter Haltungen und Handlungen im Zeichen der Krise an. Dieser intakte Richtungssinn verweist auf eine gepflegte Innerlichkeit. Er ist immer wieder konstruktiven Prüfungen ausgesetzt, so auch während der Pandemie: „Für mich ist es befreiend zu merken, worauf ich alles „verzichten“ kann, ohne dass es ein Verlust ist. Was für mich wesentlich ist, tritt nun noch deutlicher zutage und danach möchte ich auch noch stärker leben.“ (Angestellte, 34 Jahre, Stadt Salzburg).

Damals – und heute mehr denn je – erlebten wir eine erschreckende Polarisierung im öffentlichen Diskurs der Bewertung der Eindämmungsmaßnahmen. Andererseits durften und dürfen wir weiterhin erleben, wie viele von uns in der Krise ethischer handeln als zuvor. Tugenden der Rücksichtnahme, der Orientierung hin auf das Gemeinwohl und allgemeine Freundlichkeit rücken in den Vordergrund – ein klares Zeichen eines intakten Kontrollsinnes und eines aufrechten Richtungssinnes, der den Blick auf andere als Gemeinsinn wachhält.

Das Covid-19-Forum „Verbindende Erfahrungen“ ist Teil des Forschungsprojekts „Umgang mit dem Unerbittlichen. Was Gemeinschaften und Organisationen resilient macht“, das vom Land Salzburg/Abt. 2 und dem Verein der Freunde des IFZ e.V. München finanziell gefördert wird.